Elke kam auf Empfehlung einer Freundin, die einen Workshop von mir besucht hatte, zu mir. Ihr Problem: Sie war in einer Konfliktspirale mit ihrem Mann geraten und fand keinen Ausweg aus diesen nie enden wollenden Streitszenen. „Ich liebe ihn eigentlich, im Grunde ist er ein guter Kerl und wir haben auch gute Zeiten. Aber er ist ein Kampfhahn und ich ertrage diese lauten Szenen und seine Beleidigungen einfach nicht mehr. Meine Freunde sagen alle, ich soll mich von ihm trennen, nicht länger auf mir herum trampeln lassen, aber das möchte ich nicht. Es ist wohl mein Schicksal, an solche Männer zu geraten.“
Solch destruktive Muster waren ihr also nicht neu, sie kannte sie auch aus früheren Beziehungen. Auch ihre frühe Lebensgeschichte zeigte dies deutlich: Sie war mit einem alkoholkranken Vater aufgewachsen und obwohl sie alles tat, um ihm zu gefallen und Zuwendung zu bekommen, beschimpfte und bestrafte er sie und ihren Bruder massiv. „Ich konnte ihm nie etwas Recht machen. Meine Mutter ist eine liebe Frau, zu lieb vermutlich, sie konnte sich nicht gegen ihn wehren, auch nicht für uns. Verlassen hat sie ihn auch nicht, ich habe bis heute nicht verstanden wieso. Bin ich wie sie? Zu lieb, zu schwach?“
Die Streitgespräche mit ihrem Mann folgten einem Schema: Wenn sie sich ihm gegenüber kritisch äußerte oder nicht positiv auf ihn reagierte, nicht auf ihn einging, griff er sie in sehr beleidigender und abwertender Weise an. Woraufhin sie sich verteidigte oder, wenn sie seine Lautstärke nicht mehr aushielt, mit einem „ich halte dich nicht mehr aus“ und in Tränen aufgelöst. in ihr Schlafzimmer einschloss. Natürlich nicht, ohne dass er ihr folgte, gegen die Tür trommelte und weiter verbal auf sie einhackte.
Bevor man eine gute Balance mit anderen findet, muss man eine gutes, inneres Gleichgewicht finden.
In weiteren Gesprächen zeigte sich, dass ihr Mann kein böser Mensch war, sondern sich nicht anders zu helfen wusste. Wenn er sich von ihr nicht gesehen oder gewertschätzt fühlte, flüchtete er in ein zynisches und abwertendes Verhalten, um seinen inneren Druck und das Gefühl, nicht geliebt zu werden, abzubauen. Er hatte seine eigene Lebensgeschichte, die dieses Verhalten geformt hatte. Im Dramadreieck war er der klassische Angreifer, sie das Opfer. Der obige Satz, „solche Männer sind wohl mein Schicksal“ zeigte deutlich diese Opferrolle.
Was steckte dahinter? Elke war im tiefsten Inneren überzeugt, nicht liebenswert zu sein, nicht wichtig zu sein und sich Liebe verdienen zu müssen. Das führte dazu, dass sie nicht selbstbewusst, im Sinne von „ich bin mir meiner Selbst und meines Wertes bewusst“, klare Grenzen zog, sich behauptete, sondern jeden in ihr Hoheitsgebiet trampeln ließ. Während unserer Gespräche wurde ihr klar, dass ihr dieses Skript nicht nur ihr Privat- sondern auch ihr Berufsleben schwer machte, auch dort gelang es ihr nicht, sich abzugrenzen, immer wollte es sie allen recht machen, gefällig sein. Was die Konflikte mit ihrem Mann betraf, so kam erschwerend hinzu, dass sie sich vor dem allein sein fürchtete, ein weiterer Grund, wieso sie sich nicht wehrte.
In 4 Sitzungen arbeiteten wir an diesen alten, destruktiven Glaubenssätzen. Elke übte auch zuhause mit der von mir zugemailten Audiodatei unserer Introvisionssitzung weiter, bis sich diese angsteinflössende Skript langsam auflöste. Infolgedessen gelang es ihr, gelassener auf die Attacken ihres Mannes zu reagieren. „Ich habe schon gemerkt, dass er plötzlich noch mehr Gas gab, noch lauter wurde, weil ich nicht reagierte, doch ich blieb ruhig und ließ ihn im Galopp, mit ausgetreckter Lanze und seinem Kriegsgeheul ins Nichts laufen (ein lebhaftes Sprachbild, über das wir beide lachen mussten und das zudem deutlich zeigte, wie sehr sich ihre Haltung verändert hatte). Sie glauben gar nicht, wie stolz ich auf mich war. Zudem hat es mir sehr geholfen, nicht nur mein eigenes, sondern auch sein Lebensskript zu verstehen. Ich blieb also nicht nur ruhig, sondern auch verständnisvoll, richtig Buddha-like. Somit konnten wir mit der Zeit anders miteinander sprechen, anders miteinander umgehen. Ich schicke Manfred zu Ihnen ins Coaching! Das muss er auch erfahren.“
Manfred kam nicht ins Coaching, zumindest nicht zu mir, aber ich konnte Elke helfen. Ein schönes Beispiel dafür, dass die eigene, gelassene Verhaltensweise zwangsläufig das Verhalten des Gegenübers nach sich zieht.